Dienstag, 31. Juli 2012
Kanalidylle.
Dass nicht jeder für den doch sehr eigenwilligen Charme dieser Stadt empfänglich ist, hat mir der heutige Abend mit T. im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt. T. ist ein alter Freund, den ich in Sü*dafrika kennengelernt habe. Wir haben uns schon öfters hier getroffen, aber noch nie am Kanal. Heute war er berufsbedingt mal wieder in der Ecke.

Mit rosaroter Brille schlage ich hinter der Tanke den mir sehr vertrauten Weg am Kanal ein. Erst den links der Brücke. Hach, mein Kanal. Ich seufze und lächel T. verzückt an. Ich sehe eine kleine Entenfamilie verträumt in die Abenddämmerung schippern. T. inhaliert tief. "Mmm... diese Idylle... " und setzt an mir zu erläutern, was er sieht. Die Entenfamilie zieht durch grüne Grütze auf einem stinkenden Gewässer. Dahinter liegen rostige Kähne. Am Ufer gegenüber batteln sich hässliche Industriebauten aus Beton. Auf dem Grasstreifen direkt vor uns, der uns vom Wasser trennt, liegt unglaublich viel Müll. Leider kann ich meiner Nase jetzt auch nicht mehr erzählen, dass es duftet.

Ähm, lass uns lieber rechts gehen. Ich liebe den Abschnitt bis vor zum Haf*enstrand, entlang an verfallenen Backsteingebäuden voller Graffitis, einem alten Speicher, rostigen Verteilkränen, einem kleinen Holzsteg, dazwischen das moderne Gebäude der P-Akademie. Vor uns der Kanal, auf dem sich gerade ein ganzes Schwanen-Ensemble darauf vorbereitet, uns einen Schwanensee zum besten zu geben. So viele Schwäne! Die Lichter am anderen Ufer spiegeln sich auf dem Wasser. Die Grillen zirpen. Auf der Zugtrasse gegenüber fährt ein ICE. Für mich ist es idyllisch. Für mich...

T. weist mich auf die Ratte hin, die neben uns hartnäckig nach Nahrung sucht. Und wieder so viel Müll. Und wieso sind da gegenüber eigentlich so viele Betongebäude? "Aaahh... diese Idylle..."... er zwickt mich in die Hüfte und lacht.

Ich verstehe was er meint, ich sehe es, aber ich fühle es nicht. Für mich ist es wunderschön dort. Ich mag das Trashige. Ich mag die Zugstrecke, ich mag den Industriecharme, ich mag den Kanal und die Schwäne und die Grillen. Die schrägen Leute aller erdenklichen Herkünfte und Hintergründe. Die Studenten, die coolen Checker-Türken, die Alternativen, die Penner.

Ich erinner mich daran wie LeSchwe einmal in einem ganz anderen Kontext sagte: Du hast einen Haufen Scheiße vor dir und siehst immer noch die schönen bunten Fliegen darauf. Damals meinte sie den kle*inen Professor.

Vielleicht sehe ich an diesem Kanal wirklich nur die schönen bunten Fliegen. T. meint, ich soll das nächste mal meinen Baseballschläger für die Ratten mitnehmen. Ich weiß nicht, ob ich einfach nur sehr einen an der Klatsche habe, oder ob es mir ein bisschen leid tut für ihn, dass er nicht sieht was ich sehe.



 
Ich denke,
es ist mehr eine Gabe als ein Zeichen für einen an der Klatsche, die positiven Schwingungen an so einem Ort mitnehmen zu können, der eben nicht die klassische Touri-Idylle repräsentiert.

Wenn es etwas gibt, das ich mit Blick auf meine Ex bereue, dann das, dass ich mich damals zu wenig auf _ihr_ London eingelassen habe, mich zu viel damit aufgehalten zu haben, was mich dort alles störte.

Aber bezüglich des Viertels, das Sie beschreiben, und jenem anderen, in dem wir wohnten, waren wir uns immer einig...

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@Mark: es ist manchmal auch schwierig sich auf den Blick eines anderen einzulassen. Vielleicht haben wir Angst davor, was es uns über den anderen erzählen könnte. Vielleicht ist es uns manchmal zu nah, oder zu intim. Oder wir wollen es nicht verstehen, weil... ich kann nachvollziehen, dass Sie damals sich nicht auf _ihr_ London eingelassen haben. Vielleicht hatte das einen guten Grund.

Ja, das stimmt allerdings :-) Und es erfüllt mein Herzchen immer wieder sehr mit Freude, dass Sie ganz offensichtlich das Gleiche gesehen haben! Die Viertel sind auch gar nicht so weit auseinander, eigentlich... so gut wie gar nicht... 200 Meter?

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Einen guten Grund
hatte es eigentlich nicht, wenn ich ehrlich sein soll, war da unbewusst womöglich auch bisschen Retourkutsche dabei dafür, dass sie im Jahr zuvor in _meinem_ Paris enorme Schwierigkeiten damit hatte, dass ich mit ihrer Vorgängerin auch schon da gewesen war. Alles nicht so einfach, wobei in London noch verschärfend hinzukam, dass meine Cousine seit Ewigkeiten dort lebt, und ich das auch noch irgendwie berücksichtigen musste. Und irgendwie lief das alles nicht gut zusammen.

Bisschen weiter schon. Wir wohnten näher am M*ssplatz als an der Sie-wissen-schon-Brücke. Wenns zu eindeutig ist, machen Sie den Link gerne raus, ich wollts nur mal zeigen, aber das genaus Haus nenn ich jetzt nicht. ;-)

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