Donnerstag, 30. März 2006
Heu me miserum*
"Aaaaxeeel, schmierst du mir ein Marmeladenbrooot?" Genervt verdreht sie die Augen und wirft ihrem Bruder einen flehenden Blick zu. Bitte, mach das einfach, versucht sie ihm eindringlich zu vermitteln. Axel zuckt mit den Schultern, dreht sich um und geht in ihre geräumige Küche, um Lena das gewünschte Marmeladenbrot zuzubereiten.

Ihr Wohnzimmer sieht aus wie ein Schlachtfeld. Sie hatte ihren Bruder Axel mit seiner Frau Maja eingeladen, das obligatorische Sonntagsessen. Die beiden kommen gern zu ihr auf die Insel, aber wenn sie gewusst hätten, was sie da heute erwartet, wären sie wohl lieber auf dem Festland geblieben. Kaum hatten alle am Tisch Platz genommen, stand ihre Nachbarin verzweifelt mit ihren zwei Kindern vor der Tür. Den Kindern, die gerade ihr Wohnzimmer in ein Tollhaus verwandeln. Maja täuschte geschickt einen Migräneanfall vor und schlummerte nun seelenruhig im Schlafzimmer, während Axel und sie bemüht sind, Lena und Julian bei Laune zu halten.

"Hee, warum sind deine Titten größer als die von meiner Mama?" Da bleibt ihr glatt die Spucke weg. Noch während sie zu einem passenden Erklärungsversuch à la "Weil du deiner Mama alles leer gesaugt hast" ansetzt, beisst der Junge herzhaft zu, wie um sich zu vergewissern, dass da auch nichts platzen kann. Sie reibt sich ihre schmerzende Brust, und während sie auf den frühreifen Knaben schimpfend wie ein Rohrspatz einredet, nimmt sie aus den Augenwinkeln wahr, dass Lena gerade ihr antikes rotes Canapée als Trampolin missbraucht. Mit dem Marmeladenbrot in der Hand, die drohend über den weissen Kissen auf und ab wedelt.

"Axel, jetzt tu doch was!" Doch Axel starrt wie gebannt auf den Fernseher, in dem gerade Tom und Jerry läuft. Inzwischen hat sich Julian neben ihm platziert und fummelt sich, ganz nach guter Männer-Manier, in seinem Schritt rum. Da platzt ihr der Kragen. "Hör endlich auf, auf dem Sofa rumzuspringen! Und du, gönn deinem Lulumann endlich mal ne Pause!", entfährt es ihr. Sie erschrickt selbst über die Wut in ihrer Stimme. Alle Blicke sind auf sie gerichtet. Lena bleibt stocksteif stehen, das angeknabberte Brot in ihrer kleinen Kinderhand. Blitzartig ist es still im Wohnzimmer. Erleichtert will sie sich auf einem Stuhl niederlassen, als Lena sich zielgenau auf ihren Couchtisch übergibt. "Das gute Marmeladenbrot", stammelt Lena, und fängt an zu weinen.

Axel verzieht sein Gesicht langsam zu einem fiesen Grinsen. "Da haste dir ja was eingebrockt..." Beim Auslöffeln der Suppe hat er ihr dennoch geholfen.


*Weh mir Armen