Dienstag, 28. März 2006
Post nubila phoebus*
Manchmal, wenn der Himmel von Wolken durchzogen ist, legt sie sich mit einer warmen Wolldecke in eine windgeschützte Sandkuhle zwischen den Dünen. Da liegt sie dann auf dem Rücken und beobachtet fasziniert die Formationen, die sich am Himmel abzeichnen.

Sie mag keinen stahlblauen Himmel, den findet sie ebenso reizlos wie zu glatte, schöne Gesichter. In denen ist nichts Interessantes zu finden. Kein charakteristisches Merkmal, keine Eigenheiten, nur langweilige Schönheit.

Während der Wind die Wolken über den Himmel schiebt, zeichnet sie mit ihren Fingern Gesichter, Tiere, Figuren und Fabelwesen in die bauschigen Wattebällchen. Manchmal nimmt sie ihn mit. Er ist nicht wie die anderen, muss nicht ständig reden und kann die Stille genießen. In diesen Momenten sind sie sich sehr nahe. Es kommt vor, dass er nach ihrer Hand greift, wenn er merkt, dass sie friert. Dann kuschelt sie sich an ihn, in seine Armbeuge, und legt ihren Kopf auf seine Brust, lauscht seinen Atemzügen und seinem Herzschlag.

Wenn Sonnenlicht die Wolken durchbricht, schirmen sie ihre Augen mit den freien Händen ab und blinzeln sich an. Er drückt sie an sich, und beide sind froh, dass es sie gibt, die Wolken.


*Nach Wolken die Sonne.
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Sonntag, 26. März 2006
Sie steht allein am Rand der Tanzfläche und beobachtet ihre Freundin dabei, wie sie mit einem Kollegen tanzt. Nachdenklich lässt sie ihren Blick über die anderen Frauen schweifen, und überlegt im Stillen, ob sie wohl in die Kategorie derer eingeordnet wird, die bereits drei Kinder haben, oder die möglichst schnell drei Kinder wollen.

Ein großer Mann spricht sie an, und lächelt. Sie versteht ihn nicht, lächelt zurück und nickt, und geht einen Schritt zur Seite.

Es geschieht ganz plötzlich. Ihr dreht sich der Magen um, sie kann sich kaum auf den Beinen halten. Der stickige Dunst im Tanzsaal nimmt ihr die Luft zum Atmen, sie muss ich an einem der zahlreichen runden Tische abstützen und krümmt sich zusammen. Schlagartig bricht ihr kalter Schweiss aus, ängstlich befühlt sie ihre feuchte Stirn.

Sie will nur noch weg, so schnell wie möglich, weg von all den Menschen, weg aus diesem furchtbaren Saal mit den sich rhythmisch bewegenden Leibern.

Draußen an der frischen Luft atmet sie tief durch. Ihre Freundin sieht sie besorgt an und will ihr ein Taxi rufen, aber sie will lieber laufen, auch wenn der penetrante Nieselregen nicht unbedingt dazu einläd.

Über der Küste liegt Nebel. Sie sehnt sich nach der natürlichen Stille am Strand, ohne Menschen, nur mit dem Rauschen der Wellen, während in ihr eine kleine Stimme flüstert: du wirst anthropophob.
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Samstag, 25. März 2006
Glück
Noch während sie die Haustür hinter sich zuzieht, setzt der Regen ein, und der Wind frischt auf. Ein schöner Regen, mit vollen Tropfen, die sanft ihr Gesicht streicheln und in den Kragen ihres Regencapes fallen um dort Hals und Nacken zu kitzeln. Ihr Herz hüpft in ihrer Brust erfreut auf und ab, überschlägt sich, und springt ihr voraus die Holztreppen zum Strand hinab.

Sie mag den Strand wenn es regnet. Bei gutem Wetter ist er überfüllt von käsigen Touristen, die sich fett und faul wie schmierige Brathähnchen von der Sonne grillen lassen. Manchmal macht sie sich einen Spaß daraus, einen der schwer umkämpften Strandkörbe für den gesamten Tag zu mieten, morgens ein Handtuch hinein und sich neben den Strandkorb zu legen, und mit tiefem Bedauern den Suchenden zu erklären, dass der Korb besetzt sei.

Doch heute hat sie den Strand für sich allein, teilt ihn nur mit ein paar Möwen, dem Regen und dem Wind. Die Strandkörbe blicken sie leer und verlassen an, aber auch ihnen scheinen die öligen Sonnenanbeter nicht wirklich zu fehlen.

Sie ist so voller Vorfreude, dass sie dem Meer übermütig lachend entgegenhüpft. Sie begrüßt es mit ausgebreiteten Armen, atmet tief ein und aus, fühlt ihren Herzschlag und wie die frische Brise kleine Bläschen in der Lunge schlägt.

Hinter sich weiß sie die Sanddünen mit ihren wogenden Gräsern, die sich der Kraft des Windes beugen. Die Luft ist geschwängert von dem wilden Duft aus nassem Sand, würzigem Heidekraut und kaltem, salzigem Meerwasser.

Nie fühlt sie sich so lebendig wie in den Momenten, in denen sie bis zu den Waden in der Brandung steht und spürt, wie ihre Füße mit jeder zurückfließenden Welle tiefer im Sand versinken. Wenn sie das Salz auf ihren Lippen schmeckt, während sie winzigen Schiffen winkt, die auf der Weite des Wassers wirken wie Spielzeug, ihr Regentropfen wie Tränen die Wangen hinunterlaufen und das Meer ihr seine Geheimnisse zuraunt.

Die Welt umarmen. Wenn das nur möglich wär. Sie würde es tun.
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Pacta Placent
et lux, tarde discedere visa,
praecipitatur aquis, et aquis nox exit ab isdem.

So ist's bestimmt, und das Licht, das langsam schien zu entweichen, sinkt in die Wogen hinab, und die Nacht steigt auf aus den Wogen. [Ovid, Metamorphosen, "Pyramus und Thisbe"]


Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt, und der uns hilft zu leben.
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