Sonntag, 5. August 2012
Momentaufnahmen.
Heute war der Babba am Be*ach. Menschen über Menschen pilgern zur Mittagszeit gen Babba. Ich selbst verspüre nicht die brennende Lust feiern zu gehen. Eigentlich mag ich den Babba auch gar nicht so gern. Am Nachmittag packt mich dann aber doch die Neugierde. Ich klemm mir eine Decke unter den Arm, nehm an der Tanke ein Bier mit und wackel Richtung Bass. Das Wetter ist genial, die Sonne küsst mich und die Tänzer.

Dem Be*ach gegenüber stehen am Ufer sicher 100 Anhänger, die entweder den Eintritt nicht zahlen wollen, oder keinen Bock auf Gedränge haben. Dadurch, dass da die Brückenpfeiler der Zugtrasse sind, hallt dort die Musik unglaublich gut. Mir sind aber schon die 100 zuviel, und der Be*ach selbst ist sicher gestopft voll bis oben hin, da standen sie mittags schon an. Also bleibe ich auf meiner Seite, suche mir eine Bank, breite meine Decke aus und mach mir das Bier auf.

Die Musik überrascht mich positiv. Wäre ich jetzt nicht allein oder hätte ich nicht soziophobe Tendenzen, ich würde wohl doch noch den Eintritt berappen. Da sitze ich also mit geschlossenen Augen, das Gesicht in die Sonne gestreckt und wiege mich im Rhythmus. Hinter mir herrscht reger Verkehr. Ein Kommen und Gehen. Viele wandern zur Tanke um sich dort Bier zu kaufen. Außerdem Fahrradfahrer, Eltern mit Kindenr, und ein paar echt kaputte Gestalten.

Nach einer halben Stunde setzt sich auf die Bank neben mir ein junger Kerl. Er wendet mir den Rücken zu und fummelt an irgendetwas herum. Ohne dass ichs wirklich weiß, weiß ich doch, dass er sich eine Tüte baut. Nach ein paar Minuten schaut er mich an wie ein Lamm. "Haben Sie Feuer?" Ich gebe es ihm und sage: "Lass es dir schmecken". In seiner Hand hält er einen netten Jo*int. "Wollen Sie auch rauchen?" Er streckt mir die Hand entgegen. "Was ist da drin?" "Gr*as".

Der Junge redet, als wäre das nicht sein erster an diesem Tag. Er beharrt aber darauf, dass es sein erster sei. Scheisse, denk ich mir, ich hoffe, du lügst, Jüngelchen, denn sonst hast du echt ein krasses Problem. Er redet furchtbar leise. Kaum zusammenhängende Sätze. Als wäre er meilenweit fort und hätte nie gelernt anständig zu sprechen. Er kommt mir völlig entrückt vor, und sieht mich dabei aber doch mit einer Intensität an, die mir Gänsehaut verursacht. Keine angenehme.

Ich ziehe ein paar mal und stelle mich seinen Fragen. Es ist lustig, mir gehts wie Frau Overloaded. Die jungen Kerle stehen auf mich. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass wir einfach verdammt scharf sind, oder ob die sich ein Einreiten von "reifen Frauen" erhoffen. Es ist mir egal, diesen will ich jedenfalls nicht näher kennenlernen. Dafür bleibt er ganz schön hartnäckig. Viele Minuten vergehen.

Ein älterer Mann mit Fahrrad nähert sich und ruft dem Kerl zu: "Eyyyy.... du sollst doch Bier holen.... jetzt schnackst du da mit der Maus... wo ist das Bier?" Der junge Kerl sagt nichts und grinst nur debil. Der ältere Mann ist mir sehr unsympathisch. Er hat eine Glatze und ein verlebtes Gesicht. Der Übergang zwischen Zähnen und Zahnfleisch ist fast schwarz. Und jetzt steigt der auch noch von seinem Fahrrad ab und macht es sich bequem. Ach du scheiße.

"Magst du mit zu uns kommen? Wir grillen da hinten?" "Nee, mir ist heut nicht nach Unterhaltung", antworte ich und wende mein Gesicht demonstrativ der Sonne zu. Diese Gattung Mann versteht das aber nicht und redet munter weiter. Was ich arbeite. "Pers*onalentwicklung". Er verdreht die Augen. "Das ist aber ein trockenes Thema." "Nee, eigentlich gar nicht", erzähle ich mit geschlossenen Augen der Sonne. Jetzt fängt er an, dem jungen Kerl zu erklären, was Perso*nalentwicklug ist und dass er, bevor er sich auf eine Stelle bewirbt, erstmal krass die Infos zu der Firma checkt, und zu den Aktion, und das - beeeng - erzählt er dann dem Chef im Einstellungsgespräch, und den hauts dann erstmal vom Stuhl - beeeng - denn sonst informiert sich ja nie jemand. Beeeng! "Und ab da wirds dann erst richtig interessant..."... was da so interessant wird, sagt er aber nicht, sondern er nickt nur bedeutungsvoll und schaut mich schief an.

Ich würde dem Mann gerne sagen: Halt die Fresse und verpiss dich. Aber das tue ich nicht, die Tüte tut ihre Wirkung, das Bier auch, und der junge Kerl tut mir leid. Außerdem habe ich ein großes Harmoniebedürfnis an diesem Nachmittag.

Nach einer gefühlten Ewigkeit macht es doch klick bei dem Macker und er sagt: "Ich nehm den Jungen jetzt mal mit." Ja, geht Bierholen, sage ich, "Tschühüss". Der junge Kerl sagt: "Danke für das coole Date." BENG, um den älteren Macker zu zitieren. Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Denn nun fängt der ältere Macker an lang und breit dem jungen Kerl zu erklären, dass das ja wohl echt kein Date sei, "sondern nur ein netter Talk. Ihr wart ja nicht verabredet, oder?" Der junge Kerl grinst wieder debil und sagt: "Ne." "Ja dann, dann ist das nur ein netter Talk, kein Date. Für ein Date hättet ihr verarbredet sein müssen. Ein netter Talk war das. Kein Date. Weisste. Ihr wart nicht verarbredet, für ein Date. Also zufällig wart ihr da. Und habt geredet. Ein netter Talk." Was für ein Granatenarschloch von Oberlehrer. Zum Glück verziehen sich die zwei doch noch, und ich bete ein kleines Gebet für den jungen Kerl.

Zwei Minuten später steht der nächste da. Aber er ist kein junger Kerl. Ein Ausländer im mittleren Alter, vielleicht ein Iraner? "Was ist da hinten los?" "Der Vä*th ist da." Aha. Ja, also er mag ja Elektro nicht so. Aber er lebt jetzt schon seit drei Jahren im Ju*ngbusch, da tut sich ja echt viel. Es verändert sich. Ständig etwas neues. Ständig Dinge, die er nicht kennt. Das mag er. Ich mag das auch, und finde diesen Mann viel sympathischer als die bisherigen Gesprächspartner. Leider hat er es eilig, verabschiedet sich und wünscht mir einen schönen Tag.

Die Tüte entfaltet inzwischen ihre volle Wirkung. Die Sonne streichelt meine Haut, das Sonnenlicht bricht sich auf den kleinen Wellen auf dem Kanal. Wildenten schwimmen vorbei. Die Bässe und das Johlen der Feiergemeinde donnern auf die Brückenpfeiler und werden über das Wasser gepeitscht. Er geht gut vorwärts, der Babba, er nimmt sie mit, treibt sie an, lässt sie fallen und haut ihnen dann voll eins rein. Kein Ibi*za-Hou*se-SingSang scheiß, wie ich ursprünglich vermutet hatte. Sondern echt fette Beats. Ich kann nicht anders als mitwippen.

Was bleibt ist die Befürchtung im Nacken, im wahrsten Sinne des Wortes, dass irgendeiner der Vorbeilaufenden wieder schnacken will. Viele verlangsamen ihr Tempo auch, gehen aber weiter als sie merken, dass ich kein Interesse habe.

Nach zwei Stunden schwebe ich nach Hause. Beseelt von Sonne und Musik. Die Haut zwischen meinen Schenkeln ist warm, ich denke an F., der mich vor zwei Wochen besucht hat und unsere Exkursion zm Be*ach. Da hatte, big surprise, das ist ja mein Standard-DJ, Ka*rotte geladen.

Jetzt sitze ich auf dem Balkon, trinke Weißwein, grüße den nun wieder abnehmenden Mond und tippe das in ein Blog, das immer nur das Erstazblog war. Aber ich glaube, das ist jetzt mein neues Zuhause. So wie dieses Viertel. Ich frage mich, ob ich zum Einsiedler werde. Fühle mich umtriebig und doch nicht gewillt unter Menschen zu gehen. Es geht mir richtig gut. Aber ich ärger mich, dass ich so Angst davor hab, alleine Tanzen zu gehen.

 
Aus einem sehr dubiosen Grund habe ich eine unglaubliche Lust auf F. Aber das ist eine andere Geschichte, die hier vielleicht eines Tages erzählt wird, oder auch nicht.

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